Kategorie: Blog

Blogposts

  • Zensursula oder: Der Missbrauch der Missbrauchten

    Kürzlich hat das BKA mit den größten Providern des Landes einen Vertrag über die freiwillige Zensur von Web-Inhalten geschlossen. Zusätzlich hat das Kabinett gestern einen Gestzesentwurf verabschiedet, der auch noch (fast) alle übrigen Provider dazu zwingen soll, Zensur auszuüben. Es geht um (Achtung, sehr sehr böses Wort!) Kinderpornographie.

    Welcher denkende und fühlende Mensch sollte etwas gegen deren Sperrung haben? Sind wir Netizens gefühlskalte Egomanen, denen Kindesmissbrauch vollkommen egal ist, so lange niemand unser schönes WWW kaputtmacht? Ganz bestimmt nicht…

    Die so genannte Kinderpornographie hat mit Pornographie als solcher nichts zu tun, sondern ist dokumentierter Kindesmissbrauch. Das bedeutet auch, dass so etwas im Gegensatz zu „herkömmlicher“ Pornographie nicht einfach (z.B. aus Jugendschutzgründen) zensiert werden darf, sondern bis ins letzte bekämpft werden muss.

    Glaubt man einschlägigen Quellen, stehen die allermeisten Server in Westeuropa und Nordamerika. Es wäre also ein leichtes, die Server anhand ihrer IP-Adresse ausfindig zu machen und abzuschalten, um anschließend die Betreiber vor Gericht zu stellen. Mit dieser Maßnahme bekämpft man nicht nur den Kindesmissbrauch, sondern sorgt auch nachhaltig dafür, dass er aus dem Web verschwindet.

    Statt die Server abzuschalten, wird lediglich die Möglichkeit unterbunden, auf sie zuzugreifen. Frau von der Leyens Gesetzesentwurf hilft also nicht dabei, Kindesmissbrauch zu bekämpfen. Weder sorgt er dafür, dass diese Inhalte aus dem Web verschwinden, noch dass die Urheber vor Gericht gestellt werden. Im Gegenteil: Die Sperre lässt sich mit einfachsten Maßnahmen umgehen. Sobald die eigentlich geheime Liste bekannt geworden ist, kann sie Pädophilen gar noch als Katalog dienen…

    Wer eine gesperrte Seite aufruft, bekommt ein Stoppschild zu sehen. Jeder, dem das passiert, wird erfasst und steht ab sofort unter dem Verdacht der Pädophilie. Er muss mit Hausdurchsuchung und Anklage rechnen, so lange er nicht beweisen kann, dass er nur versehentlich auf der Seite gelandet ist. Hier baut sich der Staat einen „Honeypot„: Anstatt Kindesmissbrauch zu bekämpfen, verbleibt das Material im Web, diesmal unter staatlicher Kontrolle, um zu schauen, wer alles so drauf zugreift. Das ist ungefähr so, als würde die Polizei einen Drogendealer nicht verhaften sondern in Ruhe lassen, um an die Käufer heranzukommen. Will man jemanden diskreditieren, braucht man ihm nur noch eine Mail mit einem nur scheinbar vertrauenswürdigen Link zu schicken…

    Nur wenn Server in Ländern stehen, in denen wegen abweichender Gesetzeslage kein Zugriff möglich ist, könnte man eine Sperre in Erwägung ziehen. Insgesamt aber ist Zensur eine vollkommen untaugliche Maßnahme, schon alleine deshalb, weil der von Frau von der Leyen herbeiphantasierte „Millionenmarkt“ einer „Kinderpornoindustrie“ nicht existiert. Der Missbrauch findet im privaten Raum statt, das „Material“ wird konspirativ und unter der Hand weitergegeben, z.B. auf Datenträgern. Die ganzen Umstände um den Rücktritt von MdB Jörg Tauss zeigen das beispielhaft.

    Das perfide ist, dass das Wort „Kinderpornographie“ ganz offenbar das Denken ausschaltet: Jeder, der gegen dieses Gesetz etwas einzuwenden hat, muss sich dagegen wehren, mit Kinderschändern in eine Ecke gestellt zu werden. Genau dagegen wehrt sich die Initiative Missbrauchsopfer gegen Internet-Sperren. Die Opfer von Kindesmissbraucht fühlen sich erneut missbraucht: dieses mal von Politikern, die versuchen, ihre Ziele durchzusetzen.

    Die Causa Leyen hat noch allerlei andere Fußangeln:

    • Manipulation der Öffentlichkeit mit frei erfundenen Zahlen?
    • Aufhebung der Gewaltenteilung?
    • Umkehrung der Beweislast?
    • Mangelnde Kontrolle über die Inhalte der Liste?
    • Zensurgegner und andere politisch unliebsame Webseiten einfach mit drauf?
    • Warum brauchen kleine Provider nicht zu zensieren?
    • Wie wird verhindert, dass ein Warnschild auch die Urheber der jeweiligen Webseite vorwarnt?

    Kein Wunder, dass viele Menschen besorgt sind, dass es der Politik insgeheim und die Etablierung eines Zensurmechanismus gehe. Ich möchte das hier nicht im einzelnen erläutern. Quellen gibt es im Web genügend.

    Bleibt die Frage: Ist Frau von der Leyen, die alle diese Argumente „unterirdisch“ findet, voller guter Absichten und zugleich unglaublich inkompetent? Oder weiß sie, was sie tut? Hierzu interessiert vielleicht folgende Information:

    • Das Gesetz ist Resultat der Lobbyarbeit von Julia von Weiler, Geschäftsführerin des Vereins „Innocence in Danger“. Die Präsidentin dieses Vereins ist Stephanie Freifrau zu Guttenberg, zugleich Ehefrau des amtierenden Wirtschaftsministers. (Quelle) Mögen Frau Weilers Beweggründe auch noch so ehrenwert sein – dies ist ein Bilderbuchbeispiel, wie gezielte Lobbyarbeit den Rat zahlloser Experten und Fachpolitiker aushebelt.
    • Im Jahr 2008 versuchten Vertreter der hessischen Landesregierung und der Bayrischen Lotterieverwaltung, eine vergleichbare Zensurmaßnahme gegen illegale, ausländische Glücksspielangebote zu installieren. (Glücksspiel klingt harmloser, ist aber auch kaum zu verfolgen, da in sehr vielen Ländern legal, während Kindesmissbrauch in nahezu allen Staaten der Erde verfolgt wird.) Frau von der Leyen hat dagegen interveniert. Ihr Bruder, Hans-Holger Albrecht, ist nämlich Vorstandsvorsitzender des Schwedischen Medienunternehmens MTG, welches indirekt etliche Online-Kasinos in verschiedenen Ländern betreibt… (Quelle)

    Liebe Leser, es ist traurig, dass dieses Dementi nötig scheint: Kindesmissbrauch ist ein widerliches und grundsätzlich intolerables Verbrechen. Die geplante Sperre richtet allerdings nichts dagegen aus, sondern schränkt mit unnötiger und unkontrollierbarer Zensur unsere Freiheit und Bürgerrechte ein. Fordern Sie Ihren Vertreter im Bundestag auf, unsere Grundrecht in Ruhe zu lassen und stattdessen Kindesmissbrauch wirksam zu bekämpfen. Sie können hier ein Zeichen setzen.

  • Ein ♥ für Blogs

    Weia, was hat Kai Müller da losgetreten. Nun rollt die Herz-für-Blogs-Aktion mit einer riesigen Bugwelle durch die deutsche Blogspähre. Ich spar mir die ellenlange Liste und die ganze BildblogNiggemeierSpreeblickPassigRiesenmaschineLobo-Fraktion und nenne nur wenige, nicht so bekannte, ganz persönliche Perlen:

    HIER

    Der Kulturwissenschaftler und Lebenskünstler @mspro ist der Philosoph in Bloggerland und Twittermeer. Überwiegend Sachtexte mit Tiefe und ohne Dünkel. Ein Blog wie feiner, fließender Live-Jazz.

    Im Namen des Volkers

    Amtsrichter Volker Ballmann (Pseudonym) erzählt schöne, lustige, krasse, traurige, ironische, wahre Geschichten aus seiner Amtsstube. Justizbloggen so schön, wie Gerichtsfernsehen niemals war und sein kann.

    Nothing for Ungood

    Wir schimpfen ja immer gerne auf die doofen Amis, die nichts gebacken kriegen, null Bildung haben und überhaupt. Andersrum gehts auch und zwar hoch amüsant: englischsprachiges Culture-Clash-Blog eines Amerikaners in Deutschland

    Die Welt mit den Augen sehen

    Wie ist das eigentlich so, wenn man nichts oder schlecht hört? Berichte aus einer Parallelwelt. Eigentlich mein Thema, aber @julefatima war schneller und macht’s besser.

    Der Taubenvergrämer

    Ist er ein Soziopath? Oder doch eher ein Sadist, der seine columbiphoben Phantasien voller Seelenarmut in die Welt rotzt?

    Ukkult

    Uke kann man nicht beschreiben. Inhaltlich bewegt er sich zwischen Ostfriesentum, 9Live und Ktuluh-Kult. Man kann seine Kurzpostings nur lieben oder hassen. Dazwischen gibt es nichts.

    The daily WTF

    Tja, da überarbeitet man ein Stück Code und fragt sich, was der Programmierer bei dem Schrott gedacht hat… Eine Sammlung für Progger, Hacker und Nerds. Mit akuter Lachkrampfgefahr.

  • Passwörter ausspähen ist so lächerlich einfach…

    Heute wollte ich mich per FTP im Uni-Rechnenzentrum einloggen, konnte aber nirgendwo die Zugangsdaten finden. Ich dachte schon, ich sei aufgeschmissen, bis mir einfiel, dass ich selbige vor Ewigkeiten im FTP-Programm unter Windows gespeichert haben müsste. Das war tatsächlich der Fall, allerdings war das Passwort unkenntlich gemacht und war nicht ohne weiteres ausles- oder anzeigbar.

    Abgesehen davon, dass es Tools gibt, um solche Passwörter auszulesen (weshalb man sie ganz vor allem nie in weit verbreiteten Browsern speichern sollte), konnte ich das das Passwort innerhalb einer Minute herausfinden: Den Netzwerk-Sniffer Wireshark starten, Netzverkehr mitschneiden, im FTP-Programm eine Verbindung aufbauen, Mitschnitt in Wireshark ansehen, fertig. Ein „Hacker“ muss man dafür ganz bestimmt nicht sein.

    Wireshark

    Auch wenn das im Grunde überhaupt nichts neues ist und mir schon lange klar, hat mir das wieder vor Augen geführt, wie wichtig es ist, Web-, FTP- und E-Mail-Verbindunen per Verschlüsselung (z.B. mit SSL) zu sichern, da ansonsten wirklich alles im Klartext im Internet übertragen wird und mitgelesen werden kann.

  • Perversion Abwrackprämie

    2009. Deutschland in der Krise. Der Staat will helfen, den Konsum anzukurbeln und Geld in die Wirtschaft zu pumpen. Dafür wurde die so genannte „Umweltprämie“ eingeführt. Leider ist „gut gemeint“ mal wieder das Gegenteil von „gut gemacht“:

    • Leute, die Autos brauchen (oder das glauben), werden sich immer wieder ein neues kaufen. Selbst wenn es nur ein Gebrauchtwagen ist, ist es einer, der woanders durch einen Neukauf frei wurde. Heizen wir jetzt die Autoverkäufe künstlich an, werden kaum zusätzliche Autos gekauft, sondern nur zukünftige Käufe der nächsten Jahre auf dieses Jahr vorgezogen. Die Abwrackprämie ist also nichts weiter als ein Kredit auf die Zukunft.
    • Die Prämie stützt nur die Autobauer und ihre Zulieferer. Anstatt sie über den Markt zu zwingen, endlich preiswerte und umweltfreundliche Modelle auf den Markt zu bringen, dürfen die Autobauer sich auf einer Geldspritze ausruhen. Und das während in China das dort jetzt schon äußerst verbreitete Elektroauto perfektioniert und für den europäischen Markt bereit gemacht wird. Nach wie vor hat unsere Auto-Industrie dem nichts entgegen zu setzen.
    • Es wird immer so getan, als sie die Finanzkrise die Ursache für die Schwierigkeiten der Autobauer. Tatsache ist: Sie bekommen derzeit eine Quittung des Marktes. Autos, wie wir sie heute kennen, sind eine aussterbende Spezies. Nach der Logik der Abwrackprämie müsste es heute noch staatlich geschützte Postkutschenhersteller geben…
    • Ein guter Teil des Geldes fließt über den Import ausländischer Modelle nach Asien, hilft also nicht, unsere Wirtschaft anzukurbeln.
    • Die Abwrackprämie ist keine Investition. Ganz viele Leute haben vorher wie nachher ein Auto. Werte wurden wegen des vorgezogenen Konsums keine geschaffen, wohl aber vernichtet, da Altautos im Wert von bis zu 2500 € pro Fahrzeug abgewrackt wurden. Der Staat bürdet sich also Schulden auf, die mit Zins und Zinseszins zu Buche schlagen, um Werte zu vernichten. Wieviel sinnvoller wäre es, wenn der Staat mit diesem Geld investieren würde. In alles, was sich mit Mehrwert zurückzahlt, z.B. in die Bildung oder Infrastruktur?
    • Die abgewrackten Autos stehen nicht mehr dem Gebrauchtwagenmarkt zur Verfügung. Wer ganz dringend ein Auto braucht, aber wenig Geld hat, ist der Dumme.
    • 600.000 Autos à 2500 € ist die gleiche Summe wie 3 Mio. Arbeitslose à 500 €. Gäbe man jedem Arbeitslosen einen Konsumgutschein über 500 €, wären die Kosten die gleichen. Der Effekt würde sich allerdings nicht auf eine Branche beschränken. Außerdem wären es sehr viel mehr zusätzliche statt vorgezogene Käufe, die mit dem Geld getätigt werden. Die Menschen am unteren Rand der Gesellschaft werden nächstes Jahr auch nicht mehr Geld im Portemonnaie haben als jetzt.
    • In Deutschland gibt es 2 Mio Studierende, von denen ungefähr die Hälfte 1000 € Studiengebühren im Jahr bezahlt. Wer selbst studiert hat und nicht gerade über reiche Eltern verfügt, weiß, wie weh Studiengebühren tun können. Vereinfacht gesagt: Der Staat sammelt Geld bei denen ein, die nichts haben, um davon anderen Leuten neue Autos zu subventionieren. (Wer sich am Beispiel der Studierenden stört, kann sicher vergleichbare Fälle aus anderen Lebensbereichen finden.)
    • Die Prämie ist nicht umweltfreundlich. Zwar wird argumentiert, dass die neuen Automodelle umweltfreundlicher seien, als die alten. Da aber ein Großteil der Umweltschäden schon bei der Herstellung verursacht werden, ist es unter allen Umständen umweltfreundlicher, ein altes Auto länger zu fahren, als ein neues anzuschaffen. Die Abwrackprämie ausgerechnet „Umweltprämie“ zu nennen, ist eine Verhöhnung des Wahlvolkes.

    Oder wie Michi es auf den Punkt bringt:

    Abwrackprämie

    P.S.: Vielleicht findet Familienministerin von der Leyen noch eine sinnvolle Anwendung der Abwrackprämie auf die Geburtenrate…?

  • BumpTop: Ein 3D-Desktop für Windows

    Bump Technology aus Kanada hat die erste Version des „BumpTop“ herausgegeben, ein dreidimensionaler Ersatz für den Windows-Desktop mit Physik-Engine. Die ersten Demo-Videos dazu waren schon vor länger Zeit im Web aufgetaucht. Auf der planen Fläche kann man Icons herumschubsen, in der Größe ändern oder zu Stapeln zusammenfassen. Außerdem existieren Wände, an denen Notizzettel, Bilder, eine Dia-Show des „Eigene Bilder“-Ordners und weitere Icons aufgehängt werden können.

    Wie sinnvoll und produktiv die Arbeit mit BumpTop ist, muss sich erst noch herausstellen. Der Bruch zwischen der Räumlichkeit auf dem Desktop und herkömmlich zweidimensionalen GUI der laufenden Anwendungen irritiert mich sehr. Auch wirkt es etwas fade, wenn z.B. das Pseudo-3D-Icon für den Vista-Papierkorb flächig verzerrt dargestellt wird. Man sollte aber nicht vergessen, dass es sich um die Version 1.0 handelt. Die Basisversion von BumpTop ist kostenlos und kann frei heruntergeladen werden.

  • Twitter: Warum ich gehe, wenn Google kommt

    Derzeit wandern Gerüchte durch die Medien, Google könne Twitter übernehmen. Viele Leute verstehen nicht so genau, welche Probleme ich eigentlich mit Google habe. Daher zunächst eine kurze Zusammenfassung:

    • Google speichert bei jeder Suchanfrage einen bis 2038 gültigen Cookie in jedem Browser. So lange dieser Cookie nicht gelöscht wird, kann Google ein personenbezogenes Suchprofil erstellen, das so anonym ist, wie die IP-Adresse.
    • Google hat es geschafft, über Dienste wie AdSense und Analytics weite Teile des Internet zu kontaminieren. Die Installationsbasis ist dermaßen breit, das Google detaillierte Profile des Surfverhaltens nahezu aller Internetnutzer anfertigen kann. Diese Profile sind personenbezogen und ebenfalls so anonym wie die IP-Adresse.

    Google kann Suchanfragen und Surfprofil miteinander verknüpfen. Anders gesagt: So lange ich meine Cookies nicht regelmäßig lösche, hat Google ein ziemlich gutes Bild davon, wann ich mich wie lange auf welcher Webseite aufhalte und nach welchen Begriffen ich suche. Google weiß nur nicht, wer ich bin und eine Rückverfolgung über die IP-Adresse ist allenfalls im Zusammenhang mit Straftaten möglich. (Über die Aussagekraft von IP-Adressen und welche Daten man Google noch alles in den Rachen schmeißt, wenn man Tools wie Googlemail, Chrome oder „Text&Tabellen“ benutzt, will ich mich jetzt nicht näher äußern.)

    Warum ich gehe, wenn Google kommt

    Das ganze ist für sich genommen bedenklich genug, bekommt aber eine besondere Qualität, sobald ich diese Profile nicht mehr anonym sind, sondern einer bestimmten Person zugeordnet werden können. Und das ist genau dann der Fall, wenn man einen Account bei Google hat:

    • Je nachdem, für was ich mich anmelde, kennt Google mindestens meine E-Mail-Adresse, oft aber auch meinen Klarnamen, meine Anschrift, sogar meine Bankverbindung.
    • Sobald ich angemeldet bin, funktioniert der Trick, den Cookie zu löschen nicht mehr. Mit jedem LogIn weiß Google, wer da kommt, wenn der Cookie neu gesetzt wird. Das Tracking läuft also ganz unabhängig vom Cookie.

    Das heißt: Ich will keinen Account bei Google. Und mein Twitter-Account würde im Fall einer Übernahme ein Google-Account werden.

    Es geht nicht darum, dass Google auswerten kann, was ich twittere. Twitter ist sowieso öffentlich. Eine Analyse meiner Tweets wäre allenfalls ein Sahnehäubchen auf mein Verhaltensprofil. Es geht darum, dass ich gezwungenermaßen und gegen meinen Willen bei Google angemeldet werden könnte. Erst durch die Anmeldung können alle möglichen Daten wirklich zusammengeführt und einer Person zugeordnet werden.

    Postscriptum

    Google sagt, sie interessieren sich gar nicht für mich. Sie würden die Daten nur statistisch auswerten und verkaufen. Oder dafür nutzen, personalisierte Werbung einzublenden. Ich glaube es ihnen sogar. Aber die Daten sind da. Niemand kann garantieren und kontrollieren, was in Zukunft mit ihnen angestellt wird.

    Als im 19. Jahrhundert die Einwohnermeldeämter eingeführt wurden und dort u.a. die offensichtlich harmlose Frage nach der Religionszugehörigkeit gestellt wurde, hat auch niemand damit gerechnet, dass dies genau die Daten waren, die den Nazis eine umfassende Registrierung und Verfolgung aller Juden überhaupt erst ermöglichen würden.

  • Die WahlWettlokale sind eröffnet

    Noch ein gutes halbes Jahr bis zur Bundestagswahl. Vier Jahre ist es bald her, dass Schröder sich in der Elefantenrunde daneben benommen hat und Merkel/Münte zur großen Koalition kamen wie die Jungfrauen zum Kind.

    In Deutschland pflegen wir, dem Zeitgeist rund 10 Jahre hinterher zu wählen. Rot-Grün war schon in den 90ern gesellschaftlicher Common Sense, kam aber erst 1998 an die Macht. Zu der Zeit wäre eine große Koalition durchaus sinnvoll gewesen (Stichwort Reformstau). Die Politik, die Schröder und Fischer dann betrieben haben, war durchaus nicht die, die man sich 16 Kohl-Jahre lang von Rot-Grün erhofft hätte. De facto regierte ein seltsamer Hybrid aus Rot-Grün und Großer Koalition (via Bundesrat) und schenkte uns so schöne Gesetze wie Hartz IV.

    Mit den Nullerjahren kam der Flashback: 20jährige schämten sich nicht mehr, beim Kiffen bereitwillig zu erzählen, dass sie die CDU wählen, und niemand hätte sie dafür noch aus der WG schmeißen wollen. 2002 und 2005 wäre eigentlich eine CDU-FDP-Koalition an der Reihe gewesen. Es scheiterte zunächst an Stoibers Unbebeliebtheit und dann an Merkels Schwäche. Ihr Wahlergebnis blieb weit hinter den Umfragen zurück, nachdem die CDU in den Ländern jahrelang und reihenweise Siege einfuhr.

    Heute ist wohl genügend Zeit vergangen, dass sich dieser schon fast verwehte neokonservative Zeitgeist auch im Wahlergebnis niederschlagen müsste, aber die CDU ist schwächer denn je. Nachdem die SPD ihre Quittung für ihre asozialdemokratische Politik bekommen hat, ist es jetzt die CDU, die dafür bestraft wird, in der Großen Koalition nicht mehr von der SPD unterscheidbar zu sein. Beiden ist gemein, dass sie weiterhin neoliberale Politik betreiben, gerne mal die Bürgerrechte beschneiden, den Umweltschutz angesichts der Krise hinten an stellen und knurrig vor sich hin reformieren, wenn sie nicht gerade Opposition in der Regierung spielen und sich gegenseitig die Köppe einschlagen. Zuschauen ist da schon schmerzhaft. Klar, dass das die Bürger zu den kleinen Parteien treibt.

    Als da wären:

    • Die Linke. Die einzige Partei, deren Politik man noch als „sozial“ bezeichnen kann. Dass sie trotz des sozialen Kahlschlags kaum über die 10% Hürde kommen wird, liegt an der SED-Vergangenheit, am Gottseibeiuns-Lafontaine, der kommunistischen Plattform, am dilettantisch wirkenden Personal und nicht zuletzt daran, dass sie von den großen Medien einhellig und permanent verteufelt wird.
    • Weiterhin die FDP, die massenhaft Zulauf von enttäuschten bürgerlichen Wählern hat und besoffen ist von den derzeitigen 15%, ohne zu kapieren, dass der Neoliberalismus vollkommen am Ende ist.
    • Und natürlich die Grünen: Einerseits sind sie weiterhin attraktiv für linksliberale Wähler, andererseits verlieren sie Stammwähler, die wegen Schwarz-Grün in Hamburg und der Schröder-Fischer-Politik enttäuscht sind. Ungefähr ein Nullsummenspiel: Die Grünen verlieren nicht dramatisch, gewinnen aber auch nicht hinzu.
    • (Und die NPD zerlegt sich gerade selbst so nachhaltig, dass sie weiterhin brav unter der 5%-Hürde bleiben wird. Die Piratenpartei und alle anderen werden vom breiten Wahlvolk nicht ernst genommen werden. Wie gehabt.)

    Die Sonntagsfrage spuckt derzeit eine wackelige Mehrheit für Schwarz-Gelb aus. Ich glaube nicht, dass sie es schaffen. Die CDU wird weiterhin schwächeln, während die FDP ein immer noch sehr gutes Ergebnis einfahren wird, das aber hinter den derzeitigen 15% zurück bleibt.  Unterm Strich wird es auf ein Patt zwischen Schwarz-Gelb auf der einen und Rot-Rot-Grün auf der anderen Seite hinauslaufen. Da die SPD weiterhin nicht mit der Linken koalieren will und die Ampel von der FDP abgelehnt wird, bliebe noch die Große Koalition, die nun wirklich niemand mehr will.

    Ich glaube, die Grünen werden sich einen Ruck geben und es wird zu einer Jamaika-Koalition kommen. Dafür spricht, dass Schwarz-Grün in Hamburg existiert und die Grünen momentan in Richtung FDP sondieren. Wohl wissend, dass es weder zu einer Ampel noch einer Rot-Rot-Grünen Koalition kommen wird, wäre es ihre einzige Machtperspektive. Neuerdings spielen argumentativ ja auch programmatische und weltanschauliche Schnittmengen zwischen den Parteien keine Rolle mehr, sondern wie sie sich gegenseitig ergänzen. Diese Idee ist zugleich dumm und bestechend. Man darf nicht vergessen: Grüne sind traditionell liberal (solange es nicht der Umwelt schadet), der Umweltschutz ist ein wertkonservatives Anliegen und ein großer Teil der grünen Klientel stammt aus bügerlichen und akademischen Kreisen.

    Die Grünen sind von CDU und FDP nicht so weit entfernt, wie es scheinen mag. Natürlich stehen sich SPD und Linke näher, können aber bis auf weiteres nicht unvoreingenommen miteinander umgehen.

    Was wäre von der Schwampel zu erwarten?

    • Keine nennenswerte Sozialpolitik. Hartz IV bleibt erhalten, die Daumenschrauben werden aber je nach Kassenlage weiter angezogen.
    • Neoliberale Politik wie gehabt. Sobald die Krise einigermaßen gemeistert ist, wird die nächste Privatisierungswelle rollen.
    • Eine große Steuerreform mit einer drastischen Vereinfachung des Systems. Spitzensteuersätze werden sinken, gleichzeitig bekommen die Grünen ein ökologisches Korrektiv (z.B. weiterer Anstieg der Mineralölsteuer gegen Abschaffung der Kfz-Steuer.)
    • Der Gesundheitsfonds wird zu einer Kopfpauschale umgebaut.
    • Schäuble könnte weiter Innenminister bleiben, wird sich aber gegen starke FDP- und Grünen-Flanken nicht mehr damit durchsetzen können, die Bürgerrechte weiter zu beschneiden.
    • Das Bürgergeld ist ein in links- wie rechtsliberalen Kreisen beliebtes Modell, wenn auch nicht zwingend bedingungslos und schon gar nicht in der Höhe, wie es von der Linken und einigen Bürgerrechtlern gefordert wird. Trotzdem könnte ein Einstieg in ein solches Modell kommen. Dazu reicht aber die Parteienkonstellation alleine nicht aus: Es muss erst wieder mehr Druck auf den Sozialausgaben lasten. Die Krise könnte dafür sorgen, dass uns Bafög,  Renten, Unterstützung für Arbeitslose und selbst Hartz IV wieder als unbezahlbar verkauft werden.

    Das wäre mein kleiner Ausblick auf die Bundestagswahl und die Jahre 2009-2013. Die Wettlokale sind eröffnet. Einzige noch offene Frage: Was nur, was soll man da noch wählen?

  • Mao vs. Mio

    Der Beginn einer wundervollen Freundschaft…

    miovsmaotwitter