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Wie im Europaparlament Zweifel an wissenschaftlichen Erkenntnissen gestreut werden, um das Leistungsschutzrecht durchzudrücken:
“Es ist aber etwas ganz anderes, zunächst eine neutrale Studie in Auftrag zu geben, die ergebnisoffene wissenschaftliche Interviews führt und den Konsens der akademischen Literatur zusammenfassen soll – dann aber, nachdem man die Ergebnisse gesehen hat, bei der Präsentation dieser Studie plötzlich Mindermeinungen ebenso viel Raum einzuräumen, um ihr zu widersprechen. So erzielt man kein ausgewogenes Bild.”
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Wort des Jahres 2017: Jamaika-Aus:
“Tage lang – vom 20. bis zum 25. November 2017 – eine nennenswerte Medienpräsenz hatte und es bei Google insgesamt auf satte 80 Einzel-Treffer bringt, wenn man die paar Hundert abzieht, in denen über das Wort des Jahres berichtet wird.”
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At Yale, we conducted an experiment to turn conservatives into liberals. The results say a lot about our political divisions.:
“But if they had instead just imagined being completely physically safe, the Republicans became significantly more liberal — their positions on social attitudes were much more like the Democratic respondents. And on the issue of social change in general, the Republicans’ attitudes were now indistinguishable from the Democrats.”
Kategorie: Blog
Blogposts
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Links der Woche
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Links der Woche
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Die sprachliche Deprivation gehörloser Kinder – Taubenschlag:
“Bei diesen Fällen spricht man von sprachlicher Deprivation. Das Wort Deprivation leitet sich vom lateinischen Verb deprivare („berauben“) ab, also spricht man hier vom Raub einer Sprache. Sprachwissenschaftler behaupten, wenn ein Kind bis ungefähr zum fünften Lebensjahr — dem ungefähren Ende der „Kritischen Periode“ — keine Sprache erlernt hat, werde es nie irgendeiner Sprache völlig mächtig sein.”
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Missverständnisse zu Bitcoins und Geld | Notizblog:
“Grade ist der Hype um die „Cryptowährung“ Bitcoin besonders hoch. Was mir auffällt: Selbst die größten Fans haben einige sehr vage Vorstellungen, was Bitcoin überhaupt ist. Oder was Geld ist. Damit unterscheiden sie sich freilich nicht von den meisten anderen Leuten. Gerade das Durchbrechen der 10000-Dollar-Marke wird von vielen als unumstößlicher Erfolg der Währung gesehen. Doch eigentlich ist es das nicht — im Gegenteil. Denn Geld ist nicht aus einem Selbstzweck da. Es dient dazu, dass man handeln kann.”
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Netzpolitik: Der Nazifrosch macht «Reeeeeee!»:
“Als ich mit besagter Klasse eine Rede von Joseph Goebbels besprach und sie fragte, ob ihnen aktuelle Beispiele solcher Formen hasserfüllter Rhetorik einfielen, kam die ernst gemeinte Antwort: «Feminazis».”
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Vier Jahre nach Snowden – Wird die EU-Datenschutzgrundverordnung uns vor der Überwachung retten? | ctrl+verlust:
“Nichts, was in der Grundverordnung steht, schränkt irgendeinen Geheimdienst in seinen Befugnissen und Möglichkeiten auch nur einen Deut weit ein. Keine einzige geheimdienstliche Datensammlung wird verunmöglicht oder auch nur ein EU-Bürger besser vor Massenüberwachung geschützt. Das liegt an dem schlichten Umstand, dass die Verordnung nur private Akteure wie Unternehmen und öffentliche Stellen innerhalb der EU reguliert. Die NSA ist davon genauso wenig betroffen, wie der BND oder der britische GCHQ.”
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Ein paar lose Gedanken zu Bitcoin
Ein schriftliches Nachdenken ohne Anspruch auf Richtigkeit/Vollständigkeit
Vorteile von Bitcoin:
- Es ist ein libertäres Geld ohne Zentralbank, das rein Angebot und Nachfrage unterliegt. Das ist ein Vorteil, wenn man libertäres Geld, das ausschließlich Angebot und Nachfrage unterliegt, gut findet.
- Ich kann jederzeit über meine Wallet Transaktionen tätigen und benötige dazu nur Internet.
- Habe ich noch was übersehen?
Nachteile:
- Es taugt wegen der geringen Akzeptanz weiterhin nicht als Bargeldersatz.
- Es taugt wegen der Kursschwankungen nicht als Währung sondern nur als Spekulationsobjekt, vergleiche Gold.
- Es taugt nicht als Internet-Geld. Die Transaktionsgebühren übersteigen die Gebühren vieler anderer Zahlungsdienstleister. Außerdem sind Transaktionen sehr langsam.
- Vermutung: Miner leben heute schon kaum noch davon, dass neue Bitcoin generiert werden, sondern von den Transaktionsgebühren. Da es immer schwieriger wird, neue Bitcoins zu generieren, werden diese Gebühren eher noch steigen, besonders solange die Kurse hoch bleiben und steigen.
- Wenn ich meine Wallet schrotte/meinen Key verbasele, ist das Geld futsch. Ich kann zu keiner Stelle mit einem Ausweis gehen. Das ist zum Beispiel ein Problem für Erben.
- Bitcoin kennt keine Zentralbank, dafür aber einige Groß-Miner, die einen großen Teil der Währung kontrollieren.
- Angeblich werden derzeit 80-90% der Bitcoin gehortet. Horten tun Leute nur, solange sie sich Wertsteigerung versprechen. Bleibt sie aus oder droht Wertverlust, werden diese Leute ihre Bitcoins schnell verkaufen und einen Crash noch anheizen.
- …außer denen, die aus ideologischen Gründen Bitcoin halten. Vermutung: Spätestens seit der Kursrallye von 2017 ist das nur eine Kleine Minderheit bzw. der Kurs wird eh nur von denen bestimmt, die ihre Bitcoin am Markt handeln.
- Bitcoin „arbeitet“ nicht. Es handelt sich nicht um Anlagen wie Unternehmensbeteiligungen oder Aktien, an deren vermuteten zukünftigen Gewinn aus Arbeitsleistung ich durch meine Investition teilhaben kann.
- Vermutung: Es finden kaum „reelle“ Transaktionen statt. Kaum jemand kauft Computer oder Burger gegen Bitcoin. Die meisten Transaktionen dienen dem Handel mit Bitcoin selbst. Das „Bitcoin-Ökosystem“ dient vor allem dem Zweck der Spekulation, auch wenn einige Idealisten etwas anderes in Bitcoin sehen.
- Die Kursrallye von 2017 ist ein Lehrbuchbeispiel für eine Spekulationsblase, vgl niederländische Tulpenzwiebelmanie, Dotcom-Blase oder amerikanische Immobilienblase.
- Derzeit werden bei einem Platzen der Blase nur diejenigen geschädigt, die aus idealistischen Gründen Bitcoin halten oder ansonsten ungenutztes Geld zum Spekulieren herumliegen hatten.
- Der Derivate-Handel hat bereits eingesetzt. Erste Futures auf Kursentwicklungen werden angeboten. Erste „Finanzprodukte“ soll es institutionellen Anlegern erlauben, Geld in Bitcoin anzulegen. Nimmt diese Art der Anlage in Bitcoin Fahrt auf, wird die Entwicklung den Bitcoin-Kurs die nächsten Monate und Jahre nochmal weiter nach oben treiben.
- Evtl heizt die eine oder andere Finanzkrise den Bitcoin ebenfalls weiter an, da die Betroffenen sich in die unregulierte Währung flüchten können.
- Platzt die Blase dann erst, entstehen Schieflagen in den beteiligten Finanzhäusern, die Kettenreaktionen auslösen können. Dann ist nicht nur eine Bitcoin-Anlage toxisch, sondern auch Anteile z.B. einer Bank, die verbrannte Bitcoin-Derivate gehalten hat. Die Hebeleffekte sind aus der Finanzkrise des letzten Jahrzehnts bekannt. Erreicht Bitcoin weltweit das Volumen eines kleinen Staates oder des Immobilienmarktes einer mittelgroßen Volkswirtschaft, wäre die kritische Masse wohl erreicht, um im Falle eines Crashs erheblichen Schaden für die Weltwirtschaft anzurichten.
- Bitcoin-Transaktionen sind derzeit eine Katasrtophe, wenn es um Energieverbrauch/CO2-Ausstoß geht. Mit Bitcoin handeln ist das SUV-Fahren der Finanzwelt.
- Update: Potenzielle Programmierfehler und/oder mathematische Schwächen in der eingesetzten Verschlüsselung gefährden das gesamte System.
- Update: Quantencomputer könnten die Krypto obsolet machen.
- Update: Ein Crash könnte dem Ruf des Blockchain-Prinzips und der Idee des „distributed trust“ schaden.
- Habe ich irgend etwas übersehen?
Ärgenzungen, Fakten wo ich nur vermute und weitere Argumente in den Kommentaren würden mich sehr freuen.
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Links der Woche
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FDP: Wie weit reicht der Einfluss der russischen Gaslobby?:
“Der Fall wirft somit die Frage auf, wie weit der Lobbyeinfluss von Nord Stream in die FDP hinein eigentlich reicht. Auffällig ist, dass führende FDP-Politiker wie Christian Lindner und auch Wolfgang Kubicki sich in letzter Zeit überraschend kritisch zum Thema Sanktionen gegen Russland vor der Hintergrund der Krim-Krise äußerten.”
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Nicht befriedet:
“Die Polizei sollte die Klimaschützer möglichst zackig entfernen, und deshalb wurde sie kreativ. Ein solches Vorgehen ist allerdings nicht nur juristisch fragwürdig, sondern trägt auch zur aufgepeitschten Stimmung bei, die wir derzeit erleben. Deswegen müsste die erste Forderung wohl lauten: Nehmt der Polizei die Twitter-Accounts weg!”
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Bloss nichts falsch machen (Digitale November-Notizen):
“Von den taktischen Ränkespielen in Berlin verstehe ich zuwenig um einzuschätzen, was genau die FDP dazu trieb, sich in diesen Satz zu versteigen. Ich verstehe aber, dass dieser Satz genau das Gegenteil dessen ist, was im Wahlkampf Teile meiner Timeline dazu brachte, kurzzeitig positiv über die FDP zu denken. Der Gestus, den die FDP mit Slogans wie „Digital First – Bedenken Second“ oder „Schulranzen verändern die Welt – nicht Aktentaschen“ zu imitieren versuchte, richtet sich exakt gegen den Satz, den Lindner nun zum Parteimotto erhoben hat. Die Startup-Mentalität des Ausprobierens, eine positive Fehlerkultur und die Bereitschaft, Dinge „falsch“ zu machen – all dies sind Ideen, die diejenigen schätzen, auf die es die FDP-Kampagne abgesehen hatte. Es gibt keinen Satz, der ihnen klarer machen könnte, dass all dies nur gespielt war, als das Lindner Mantra vom „lieber nicht als falsch“.”
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Was ich in 10 Jahren Diskussion mit Impfgegner_innen über postfaktische Kommunikation gelernt habe:
“Ich will nicht behaupten, dass postfaktische Populist_innen und Impfgegner-Eltern eins zu eins übertragbar wären: Aber wie die Kontrafaktischen sich in ihren Verschwörungstheorien einhegen, wie sie „Etabliertes“ und Wissenschaft ablehnen auch gegen ihre eigenen Interessen, wie sie vielen Gegenargumenten hyperaggressiv entgegenhassen und sich oft aus mittleren Einkommensschichten rekrutieren: All das habe ich auch immer wieder in den letzten 10 Jahren in Vier-Augen-Gesprächen, Mailinglisten-Schlachten und Konfrontationen in der Klinik mit impfverweigernden Eltern kennengelernt”.
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Wollen Rechte mit Dir reden?:
“Zum Thema „mit Rechten Reden“ eine kleine Erfahrung in einem Facebook-Thread:
Rechter: „Beruf?“
Ich: „Warum?“
R: „BERUF?!?!“
I: „Geringfügig + Mindestsicherung“
R: „Mit Leuten die ich durchfüttern muss red ich nicht.“”
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Links der Woche
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Fantastic Beasts and How to Rank Them:
“One of the strangest things about the human mind is that it can reason about unreasonable things. It is possible, for example, to calculate the speed at which the sleigh would have to travel for Santa Claus to deliver all those gifts on Christmas Eve. It is possible to assess the ratio of a dragon’s wings to its body to determine if it could fly. And it is possible to decide that a yeti is more likely to exist than a leprechaun, even if you think that the likelihood of either of them existing is precisely zero.”
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On Unread Books:
“How to Talk About Books You Haven’t Read, by Pierre Bayard, a psychoanalyst and professor of literature, is not about how you might know not to read a book but how you can happily talk about a book you haven’t read, even to your students, even when it’s a book of extraordinary importance.”
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Sexismus, jeden Tag:
“Das ist Sexismus. Die bewusste oder unbewusste Überzeugung, jemand könne aufgrund des biologischen Geschlechts irgendetwas nicht oder sei für gewisse Dinge besonders gut qualifiziert. Frauen können doch gut dies. Männer können doch gut das. Oder eben nicht.”
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Opinion | Glasses Are Cool. Why Aren’t Hearing Aids?:
“Why, I wonder, is it that devices to keep you from being blind are celebrated as fashion, but devices to keep you from being deaf are embarrassing and uncool? Why is it that the biggest compliment someone can give you about your hearing aids is “I can hardly see them”?”
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Warum so wenige Mädchen Fußball spielen oder das Wissen 8-jähriger Mädchen über Sexismus und Männlichkeit:
“Ich erinnere mich, wie ich vor einiger Zeit auf dem Schulhof ein Fußballspiel beobachten konnte, als ich meine Tochter abholen wollte. Jungs gegen Mädchen, schlug irgendwer vor. Es waren etwa 6 oder 7 Mädchen und 4 oder 5 Jungs. Die Jungs waren sich sicher, trotz Unterzahl gewinnen zu können. Das Spiel war eine Zeit lang ausgeglichen. Nach wenigen Minuten waren die Jungs frustriert, dass sie noch kein Tor geschossen hatten. Als dann ein Tor für die Mädchen fiel, fingen – ungelogen – zwei Jungs an zu weinen, beschwerten sich bei der Erzieherin und verlangten unter Tränen eine neue Aufteilung der Teams. Jungs gegen Mädchen: ok, aber nur, solange die Jungs gewinnen. Ansonsten ist es unfair.”
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Unicode Consortium fights over sad Shit:
“Das Unicode Consortium streitet über Emoji-Scheiße und die Pläne für einen traurigen Kackhaufen. Nicht lachen, die Lage ist ernst!”
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Digitale Bildungspolitik: Der Staat kommt seinen Aufgaben und Pflichten nicht nach:
“Panikmache, Halbwahrheiten und die Vermeidung der tatsächlichen Themen, es ist langsam wirklich nicht mehr auszuhalten. Da wird die Sorge geäußert, Google könne über den Calliope Einfluss auf Schüler_innen nehmen (wie das genau passieren könnte, bleibt offen), während eben diese Schüler_innen seit Jahren quasi täglich vor Googles YouTube sitzen, denn die Medienwelt ihrer Eltern hat ihnen nichts mehr zu bieten. Auf YouTube wiederum holen sie sich unter anderem Lerninhalte oder Nachhilfe und Erklärungen, welche ihnen die Schule nicht liefern, und nicht wenige Lehrkräfte greifen ebenfalls auf den Videokanal zu, um sich Material für den Unterricht abzuholen.”
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Über Löhne, Bürgergeld und warum sich nichts ändert:
“Vor allem in großen Dienstleistungsunternehmen sei das normal. Man würde immer nur mit der minimalen Personaldecke arbeiten, bzw. bewusst darunter. Ausfälle würden zunächst auf die anderen Mitarbeiter abgewälzt. Bei längeren Ausfällen von Mitarbeitern, die man nicht kündigen könnte, würden dann Leiharbeiter geholt. Im übrigen, so der sehr gut gekleidete Gesprächspartner, sei diese Art mittlerweile fast überall normal.”
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Meine alten weißen Mitmänner
Foto: Jakob Weber Ich bekenne mich schuldig, gerne die Phrase „alte weiße Männer“ zu gebrauchen. Und damit meine ich meinesgleichen. Ich bin zwar nicht ganz so alt, wie viele Leute aufgrund meines ergrauenden Bartes und der fortgeschrittenen Glatzenbildung glauben könnten, aber ich bin schon Teil einer Kohorte. Und ich beobachte oben, unten, links und rechts von mir, wie Typen, die sich ihrer Privilegien kein Stück bewusst sind, nicht einmal einen Funken gedanklicher Beweglichkeit mitbringen, Perspektiven ihrer Mitmenschen zu reflektieren. Oft fehlt ganz einfach der Wille, Empathie zu zeigen und sich in die Lage von anderen Menschen, Gruppen und Minderheiten zu versetzen. In Diskussionen, Debattenbeiträgen und Feuilletontexten posaunen sie mit unerschütterlicher Selbstgewissheit die Perspektive derjenigen hinaus, die sowieso gesellschaftlich die Norm definieren. Sobald wer dran kratzt, fühlen sie sich selbst angegriffen und gar diskriminiert, statt sich auch mal selbst zu hinterfragen. Warum auch: Man ist mit irgendwas irgendwie erfolgreich, findet sich toll, muss also objektiv toll sein und recht haben. Egal ob es um Sexismus, Rassimus, Inklusion oder die vielen anderen Debattenschlachtfelder geht. Wegen der vielen Biase, die auch ich mit mir herumtrage und nur langsam abbaue, benutze ich diese Formulierung so gerne: Es ist eine Provokation an meine alten weißen Mitmänner, wenn ausgerechnet ein anderer alter weißer Mann sie „alte weiße Männer“ nennt. Wie sehr, sehe ich daran, dass es mich jedesmal etliche Follower auf Twitter kostet, wenn ich diese Formulierung verwende.
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Warum Refind derzeit noch unbrauchbar ist
tl;dr: Refind ist in der derzeitigen Form nicht für professionelles Recherchieren, Sammeln und Archivieren von Texten im Netz geeignet.
Bei meinen Studien und Recherchen begegnen mir bergeweise Links zu Artikeln, Blogposts, Videos oder interessanten Webseiten, die ich irgendwie verwalten muss. Das mache ich bisher mit Pocket (früher bekannt als „Read it Later“) das nebenbei auch noch wie ein soziales Netz funktioniert. Ich hatte meine Leser, Freunde und Bekannten schonmal dazu aufgefordert, sich über Pocket mit mir zu vernetzen.
Das next big Thing in dieser Richtung ist Refind, eine App zur teilautomatisierten Verwaltung von Links und Bookmarks, die viele Funktionen mitbringt, die Pocket nicht kennt. Auf den ersten Blick sieht Refind sehr interessant aus, weshalb ich es einige Zeit intensiv (Web und iOS-App, jedoch noch nicht Android) getestet habe. Ergebnis: Für meine Zwecke ist Refind in der jetzigen Form unbrauchbar. Das hängt natürlich vom jeweiligen Use Case ab. Meiner ist so:
Startpunkt meines Workflows ist, dass ich alle Links, die via RSS-Feed, in Mails, auf Webseiten, Twitter usw. mein Interesse wecken, auf meinem Telefon oder in meinem Desktop-Browser zu Pocket hinzufüge und regelmäßig die so gesammelten Artikel lese, oftmals abends im Bett. Pocket verwöhnt mich hier mit einer Lese-Ansicht, die das Drumherum der jeweiligen Webseite samt Werbung weglässt, einen augenfreundlich invertierten Nachtmodus hat und auch offline funktioniert. Ich habe auch im Funkloch oder wenn mein Telefon im Flugmodus ist, immer etwas zu lesen.
Einen Text lesen in Pocket …und in Refind All das funktioniert in Refind nicht. Per Default öffnet Refind die Artikel im Browser mitsamt Werbung, Grafiken und typografischen Sünden, die üblicherweise verhindern, dass man eine Webseite auch liest. Refind kennt zwar einen Offline-Modus, aber in diesen gelange ich nur, wenn ich manuell über die Settings umschalte. Solange ich mich in diesem Modus befinde, bekomme ich zwar tatsächlich eine lesefreundliche Ansicht eines Teils der gesammelten Texte, aber es ist es nicht möglich, Artikel zu taggen oder zu sharen. Gefühlte 80% der Funktionalität von Refind liegen im Offline-Modus brach, während sich Pocket ganz normal weiternutzen lässt und sich synchronisiert, sobald es wieder online ist. Einen Nachtmodus gibt es in Refind auch nicht: Im Bett möchte man diese App nicht nutzen. Außerdem ist das Ablegen in Refind unpraktischer. Wo bei Pocket ein Tap/Klick reicht, brauche ich bei Refind immer zwei, weil ich mich entscheiden soll, ob ich den jeweiligen Link erstmal nur der „Read“-Liste hinzufügen will oder mit „Save“ öffentlich teilen möchte, was nicht nur unpraktisch ist sondern auch unintuitiv. Klingt nach Meckerei, aber es sind solche Kleinigkeiten, die mit darüber entscheiden, wie gerne ich eine bestimmte App nutze.
Teil zwei meines Workflows: Taggen. Die meisten Texte lösche ich direkt nach dem (an)Lesen, einige poste ich auf Twitter und Facebook oder empfehle sie meinen Pocket-Followern. Wichtige Links tagge ich allerdings, um sie für Recherchen zu sammeln. Das können thematische Tags für längerfristige Studien sein oder für Artikel oder Radiobeiträge, die ich demnächst schreibe. Wenn ich mich dann dransetze, einen Text zu Thema XY zu schreiben, kann ich mir in Pocket alle Links mit dem Tag „XY“ anzeigen lassen. Zugleich dient mir das als Archiv. Ich habe mittlerweile eine große Sammlung von Texten zu bestimmten Themen, die mich interessieren und die ich leicht auffinden kann. Oder ich setze Tags wie „TODO“, weil es auf der Webseite etwas gibt, das ich erledigen möchte, z.B. ein Video auf dem großen Bildschirm und mit Ton ansehen. All das funktioniert in Refind nicht. Ich kann Tags setzen. Wenn ich anschließend in der iOS-App nach dem betreffenden Tag suche, bekomme ich eine leere Liste. In der Web-Version findet Refind zwar den Begriff in allen möglichen Webseiten, jedoch nicht das von mir selbst gesetzte Tag. Ich vermute, dass es sich um einen Bug handelt bzw. die App hier einfach noch nicht zuende programmiert wurde.
Bei den beiden wichtigsten Aufgaben, die eine Link-/Bookmark-Verwaltung meiner Meinung nach haben sollte, versagt Refind also völlig. Bleibt die Funktion als soziales Netzwerk: In Pocket kann man sich gegenseitig folgen. Dabei bekommt man aber nicht alle Bookmarks der Freunde und Bekannten zu sehen, sondern nur diejenigen, bei denen jemand explizit auf „empfehlen“ geklickt hat. Das Durchsehen dieser Empfehlungen ist in der Pocket-App leider ziemlich schlecht gelöst. Das Handling ist bei Refind tatsächlich wesentlich praktischer, allerdings bekomme ich keine handverlesene Auswahl explizit empfohlener Texte, sondern eine Flut von Links, die per Algorithmus zusammenstellt wurden. Eine Link-Empfehlung einer bestimmten Person, die sich nicht groß im Netz verbreitet hat, für mich aber sehr relevant sein kann, geht in Refind völlig unter. Zum Austauschen von wirklich relevanten Links im kleinen Kreis taugt Refind deshalb nicht. Wer die Empfehlungsfunktion nicht mag, aber sich für gut kuratierte Links interessiert, sollte sich statt Refind besser mal piq.de ansehen. Dafür stellt Refind ein sehr gutes Summary dessen zusammen, was in meiner Filterblase die letzten Stunden so an Links auf Twitter & Co. gepostet wurde. Dafür hatte ich bisher Nuzzel benutzt, aber die Ergebnisse von Refind sind tatsächlich besser. Es ist die einzige Funktion von Refind, die ähnlichen Diensten nicht unterlegen ist.
Kommen wir zur namensgebenden Funktion: Nur bedingt brauchbar ist Refind, wenn es darum geht, einen Link wiederzufinden, den man neulich auf Twitter o.ä. gesehen hatte aber nicht nicht mehr finden kann. Manchmal funktioniert das in Refind sehr ordentlich, oftmals jedoch nicht und dann führt eine Suche auf Twitter, Facebook oder einfach nur Google schneller ans Ziel. Egal ob Tags oder frei gewählte Suchbegriffe: Selbst seine namensgebende Funktion erfüllt Refind nur unvollkommen.
Allerdings hat Refind zwei echte Alleinstellungsmerkmale. Das eine ist die Newsletter-Funktion. Refind versendet täglich oder wöchentlich ein Summary der eigenen in sozialen Medien geposteten Links per E-Mail an Leute, die das als Newsletter abonnieren möchten. Wer Newsletter mag, findet das praktisch. Wer selbst Newsletter redaktionell betreut, wird jedoch die Möglichkeit vermissen, den Newsletter um eine Einleitung oder Kommentare zu ergänzen. Also auch wieder nicht für die professionelle Nutzung geeignet.
Das zweite Alleinstellungsmerkmal ist Reward-Funktion. Wer bei Refind aktiv ist, wird mit „Coins“ belohnt, die man irgendwann mal in eine Cryptowährung umtauschen können soll. Die meisten Coins gibt es dafür, neue Nutzer anzuwerben. Das ist mir eher unangenehm. Ich gehe nicht davon aus, dass diese Coins irgendwann mal einen signifikanten Wert haben. Das Belohnungssystem droht aber, Masse statt Klasse zu fördern. Ich brauche keine monetäre Belohnung für die Teilnahme an einem solchen sozialen Netz. Die Funktionalität von Pocket und die Links, die ich über dessen Empfehlungsfunktion reinbekomme sind meine eigentliche Belohnung. Ich möchte nicht, dass Leute anfangen, einen Dienst zu fluten, weil sie irgendwelche Coins dafür bekommen. Ich möchte Leuten folgen, die etwas posten, weil sie es relevant finden und dazu was zu sagen haben.
Der Vollständigkeit halber: Pocket hat auch noch eine algorithmische Empfehlungsfunktion dessen, was weltweit auf Pocket gerade besonders beliebt ist. Den Bereiche meide ich, weil darüber fast nur Unsinn der Sorte „Was die Manager der größten IT-Konzerne zum Frühstück essen“ verbreitet wird. Hier ist der Algorithmus von Refind besser. Wer also eine Art automatisch zusammengestellte Zeitung möchte und mit den Ergebnissen von Instapaper oder Flipboard nicht so recht zufrieden war, sollte sich Refind ansehen. Eine weitere Stärke von Refind ist, dass dort im deutschsprachigen Raum derzeit wesentlich mehr Leute aktiv sind als auf Pocket.
Fazit: Refind hat eine Fülle von Funktionen, kann sehr viel, aber fast nichts davon gut. Für bestimmte Use Cases mag Refind sehr nützlich sein, wer aber professionell Links und Texte zu Recherche- und Studienzwecken sammelt, kommt weiterhin um Pocket nicht herum. Refind ist hierfür in der derzeitigen Form ungeeignet. Wer Nuzzel nutzt, findet in Refind einen besseren Ersatz. Ob das auch für Instapaper oder Flipboard gilt, ist Geschmacksache.
P.S.: Mein Refind wird nur automatisiert vor sich hintuckern und Links aus Tweets einsammeln, während ich Pocket weiterhin aktiv nutzen und darin auch Links empfehlen werde. Ich freue mich immer sehr über Leute mit interessanten Links, die sich auf Pocket mit mir vernetzen möchten.
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Links der Woche
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Why Futurism Has a Cultural Blindspot:
«“When we think of information technology we forget about postal systems, the telegraph, the telephone, radio, and television,” writes Edgerton. “When we celebrate on-line shopping, the mail order catalogue goes missing.” To read, for instance, that the film The Net boldly anticipated online pizza delivery decades ahead of its arrival7 ignores the question of how much of an advance it is: Using an electronic communication medium to order a real-time, customizable pizza has been going on since the 1960s. And when I took a subway to a café to write this article and electronically transmit it to a distant editor, I was doing something I could have done in New York City in the 1920s, using that same subway, the Roosevelt Brothers coffee shop, and the telegram, albeit less efficiently. (Whether all that efficiency has helped me personally, or just made me work more for declining wages, is an open question). We expect more change than actually happens in the future because we imagine our lives have changed more than they actually have.»
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Vom Tempelberg nach Tempelhof:
“An die Templer hingegen erinnern nur noch einige Burgen, Kirchen und Ruinen in Europa und im »Heiligen Land«. Und Straßen- und Ortsnamen wie zum Beispiel Tempelhof. Der heutige Berliner Bezirk gehörte ebenso wie die Ortschaften Mariendorf, Marienfelde und Rixdorf zu den Besitztümern des Templerordens. Die Siedlungen gingen nach deren Verbot in den Besitz der Johanniter über, die sie 1435 dann an die Stadt Berlin verkauften. Auch die heutige Tempelherren-Grundschule in Tempelhof ist nach den Mönchsrittern benannt, ein Templerkreuz ziert das Gebäude. Die Bürgerzeitung der CDU-Tempelhof nennt sich Der Templer und ist ebenfalls mit einem Templerkreuz dekoriert.”
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Links der Woche
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Nazis bei Frankfurter Buchmesse: “Jeder hasst die Antifa!”:
“Die Veranstalter der Frankfurter Buchmesse geben rechtsextremen Gedankengut eine Plattform und schützet diese Tribüne auch. Am vorletzten Tag der Messe lud Götz Kubitscheks rechtsextremer Verlag Antaios zum gemeinsamen Austausch mit Björn Höcke über die “Folgen einer linksdominierten Politik” ein.”
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Vergessen am Rande Europas:
“Menschen stehen Schlange und warten darauf, sich unter einem alten Schlauch mit eiskaltem Wasser zu duschen. Sie leben in schlecht befestigten Zelten inmitten eines Olivenhains, denn das Auffanglager Moria ist hoffnungslos überfüllt. Abfälle und Fäkalien liegen herum, Toiletten gibt es kaum. Neben den Zelten ragt ein hoher Zaun mit Nato-Stacheldraht empor, dahinter ist Militär stationiert und sind weitere Flüchtlinge untergebracht. Es sieht aus, als handle es sich um ein Hochsicherheitsgefängnis.”
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Nudging oder nicht Nudging – ist das überhaupt die Frage?:
“Dass dieses Prinzip nicht unproblematisch ist und zu allerlei Manipulationen einlädt, ist ja offen sichtlich. Die gängigen Gefahren und Vorbehalte hat Sascha Lobo kürzlich in seiner Spiegelkolumne noch einmal notiert. Allerdings wundert mich ein bisschen die Ausrichtung der Debatte, die sich nämlich irgendwie um „pro und contra“ Nudging zu drehen scheint, um die Frage, ob Nudging gut oder schlecht ist, ob man das machen darf oder nicht. Aber stellt sich diese Frage denn überhaupt?”
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Hard-wired: The brain’s circuitry for political belief:
“Political beliefs are like religious beliefs in the respect that both are part of who you are and important for the social circle to which you belong,” said lead author Jonas Kaplan, an assistant research professor of psychology at the Brain and Creativity Institute at USC Dornsife College of Letters, Arts and Sciences. “To consider an alternative view, you would have to consider an alternative version of yourself.”
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MARIMBA MIX – Selektor Nuttendorf:
“MARIMBA MIX is the finest Collection of Songs based on the pre-installed iphone ringtone, worlds most famous ringtone now a days, selected by Selektor NUTTENDORF. The Marimba ringtones’ origin is based on a percussion instrument called Marimba, similar to a Xylophon. It is the national instrument of Guatemala. MARIMBA MIX is developed in the Presence of Aram Bartholl’s artwork ‘Obsolet Presence’ as seen in the cover. The art piece was installed @Humboldthafen in Berlin for one month in September 2017. The MARIMBA MIX released on the 21.09.2017 as an irl CD.”
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„Postpostfaktisch“ Urbane Interventionen gegen falsche Behauptungen der AfD in Mannheim:
“Studierende der Hochschule Mannheim haben für einen Tag den öffentlichen Raum ihrer Stadt übernommen und sich in Urban-Hacking-Installationen mit falschen Behauptungen im Dienste populistischer Meinungsmache beschäftigt.”
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Here’s How Breitbart And Milo Smuggled Nazi and White Nationalist Ideas Into The Mainstream:
“These new emails and documents, however, clearly show that Breitbart does more than tolerate the most hate-filled, racist voices of the alt-right. It thrives on them, fueling and being fueled by some of the most toxic beliefs on the political spectrum — and clearing the way for them to enter the American mainstream.”
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Links der Woche
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Heimat – Anatol Stefanowitsch – Medium:
“Wenn Heimat zu einem politischen Begriff wird, wird er gefährlich, denn dann ist die Heimat derjenigen, die eine Heimat haben, bedroht durch die, die ein Zuhause suchen.”
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Digitaler Tribalismus und Fake News | ctrl+verlust:
“Auf der Suche nach einer Erklärung für dieses Phänomen bin ich immer wieder auf den Zusammenhang von Identität und Wahrheit gestoßen. Die Menschen, die daran glauben, dass Hillary und Bill Clinton eine Reihe von Menschen ermorden ließen und die Demokratische Partei einen Kindesmissbrauchs-Ring im Keller einer Pizzafiliale in Washington betreibt, sind nicht einfach dumm oder unaufgeklärt. Sie verbreiten diese Nachricht, weil sie damit die Zugehörigkeit zu ihrer Gruppe signalisieren.”
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When filters fail: These cases show we can’t trust algorithms to clean up the internet:
“When the animated sitcom Family Guy needed a clip from an old computer game, they just took it from someone’s YouTube channel. Can you already guess what happened next? The original YouTube video was removed after being detected as supposedly infringing on Family Guy‘s copyright.”
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Die Sächsische Schweiz und die AfD #fckAfD:
“Dass es in Deutschland Orte gibt, an die man nicht geht, wenn man scheinbar kein Deutscher ist, dass wusste ich schon länger. Spätestens, seit damals, als ich im Pizzaladen um die Ecke arbeitete und die dortige Bäckerin rief: Hey, guckt mal der Schwarze (sie sagte ein anderes Wort) da draußen. Holt den mal rein, ich wollte schon immer einen dressierten Affen, der mir mein Bier bringt.”
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Von Trollen — UARRR.org:
“Irgendein Heiopei sagt irgendeine rassistische Sache, alle Publikationen berichten darüber. Heiopei lernt: Rassist sein macht mich berühmt und erfolgreich. Heiopei ist beim nächsten Mal etwas mehr Rassist. Da kann man auch schon mal öffentlich sagen, dass man die Regierung jagen will, klingt mittlerweile ganz normal. Obwohl 200 Artikel darüber geschrieben wurden, wie schlecht das doch ist.“
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