Ein Gastbeitrag von @astefanowitsch
Die Piratenpartei hat einen Schlachtruf: „Themen statt Köpfe“. Es ist ein richtiger Schlachtruf. Ein kluger Schlachtruf. Ein würdiger Schlachtruf. Leider ist es aber auch nur das: Ein Schlachtruf.
Um den Satz von einem Schlachtruf in ein Prinzip politischen Handelns zu überführen, dürfen wir zwei Dinge nicht übersehen. Erstens: Ideen werden nur durch harte Arbeit zu Themen. Zweitens: Themen müssen in politische Entscheidungsprozesse hineintragen und dort vertreten werden.
Für beides braucht es Köpfe.
Damit Leitideen der Piratenpartei wie Teilhabe und Transparenz zu Themen werden, auf deren Grundlage wir verschiedene Politikfelder und die politischen Prozesse selbst gestalten können, braucht es Köpfe, die sich mit viel Geduld und Wissbegierde in die verschiedenen Politikfelder und politischen Prozesse einarbeiten und konkrete Vorschläge entwickeln. Das geschieht in Arbeitsgemeinschaften aber vor allem auch in informellen Gruppen, die sich themenbezogen zusammenfinden.
Je mehr Köpfe sich hier einbringen, aus desto mehr Themen kann die Piratenpartei bei Gestaltung ihrer Wahlprogramme oder sogar bei der Gestaltung von Gesetzesvorhaben in den Parlamenten schöpfen.
Damit die Themen nicht nur in die öffentliche Diskussion, sondern auch in konkrete Gesetzgebungsprozesse eingebracht werden, braucht es Köpfe, die diese Themen innerhalb des politischen Systems effektiv vertreten können. Diese Köpfe müssen Sachverstand und Glaubwürdigkeit für ihre Themenbereiche mitbringen, und sie müssen die Fähigkeit zur politischen Vernetzung haben. Nur so können sie in parlamentarischen Ausschüssen inhaltliche, auf einzelne Themen bezogene Allianzen mit anderen Parteien eingehen. Das ist notwendig, weil es auf absehbare Zeit keinen anderen Weg geben wird, wenigstens einen Teil unserer Inhalte umzusetzen.
Leider verfolgen große Teile der Basis die Entstehung konkreter Themen nur am Rande, und leider haben noch größere Teile der Basis eine Abneigung gegen alles, was sie als Zeichen etablierter politischer Professionalität wahrnehmen – etwa Medienpräsenz oder eine gute Vernetzung über Parteigrenzen hinweg.
Deshalb werden unsere Parlamentarier in den Landesparlamenten für ihre Arbeit nicht nur kaum gewürdigt, sondern bekommen im Gegenteil bei jeder Gelegenheit mit voller Wucht die Verachtung der „Basis“ für das „politische Etablissement“ zu spüren.
Und deshalb werden auf Aufstellungsversammlungen bevorzugt Menschen auf die vorderen Listenplätze gewählt, die sich bestenfalls durch Fleiß in Parteigremien hervorgetan haben — also kurioserweise genau die Kriterien erfüllen, die auch in den „etablierten“ Parteien eine politische Karriere sichern. Menschen die innerhalb und außerhalb der Partei seit Jahren an zentralen Leitthemen der Piratenpartei arbeiten, werden dagegen mit Misstrauen behandelt – sei es, weil ihre thematische Kompetenz außerhalb des Kanons der Netz- und Urheberrechtspolitik liegt, sei es, weil sie in der Partei noch relativ neu sind.
Dabei wird übersehen, dass nur ein kleiner Teil der parlamentarischen Arbeit mit den kanonischen Themen zu tun hat, und dass wir Expert/innen für soziale, wirtschaftliche und politische Themen dringend benötigen werden. Es wird auch übersehen, dass Menschen, die bereits vor ihrer Zeit bei der Piratenpartei an Themen wie Teilhabe oder Transparenz gearbeitet haben, eine wertvolle Ressource für die Partei sind, weil sie ihren Sachverstand, ihre Glaubwürdigkeit und ihre Vernetzung bereits mitbringen.
Wir brauchen auf den vorderen Plätzen unserer Landeslisten für die Landtags- und Bundestagswahlen mehr von diesen Leuten. Ich hoffe sehr, dass ich nicht der einzige bin, der das so sieht, sondern, dass es auch die Mitglieder auf den vielen uns noch bevorstehenden Aufstellungsversammlungen erkennen. Denn bei allem, was mich an der Piratenpartei stört — und das ist viel — wünsche ich mir nicht nur, dass wir den Sprung in den Bundestag schaffen, sondern auch, dass wir dort dann den Politkwandel einleiten können, von dem wir träumen.
Und das geht nur mit Themen UND Köpfen.
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Eine Antwort zu „Themen, Köpfe, whatever – politische Arbeit braucht Kompetenz“