Bofimax, Leipzig
Wie gegen so viele Gebrechen und Übel unserer Welt hat Hollywood auch ein Mittel gegen akute wie chronische Besessenheit. Man halte das Ritual eines katholischen Exorzismus ab, das im wesentlichen aus sich wiederholenden Gebeten, den Litaneien aus Psalm 54 und dem monoton wiederholten Satz „Jesu Christi Macht zwingt dich!“ besteht. Macht man alles richtig, gibt’s ein Happy End.
Jedoch sollten Sie nicht den Fehler begehen, erstmal zu einem Arzt zu gehen. Dieser wird – im Falle echter Besessenheit – nur immer neue und nutzlose wie quälende Untersuchungen durchführen, während der Dämon im Patienten immer stärker wird.
So spielt es sich jedenfalls im Klassiker „Der Exorzist“ ab, der nun in digital überarbeiteter Fassung in die Kinos kommt. Er zeigt die Geschichte einer erfolgreichen Schauspielerin, deren Tochter langsam aber sicher immer mehr dem Bösen verfällt, und verzweifelt nach einem Mittel dagegen sucht. Parallel dazu baut der Film die Charaktäre zweier Priester auf, die am Ende den Exorzismus durchführen.
Man merkt deutlich, dass dieser Film ein Kind seiner Zeit ist. Zu viele Stilmittel und Manierismen der 70er Jahre nimmt er an und lässt sich ästhetisch direkt mit „Rocky“ oder „Taxi Driver“ vergleichen. Und zwar einschließlich der Langatmigkeit, die ein Kinobesucher 30 Jahre später bei der sehr langsamen Entwicklung der Story empfinden muss.
Trotzdem ist „Der Exorzist“ mehr als sehenswert, legt er doch die Grundlage für ein ganzes Genre und ist für den modernen Horrorfilm das, was „2001“ und „Star Wars“ für die Science Fiction waren. Auflösungserscheinungen und Orientierungslosigkeit, hier genüsslich am Beispiel des Versagens der Schulmedizin in endlosen Untersuchungen dargestellt, bilden auch heute noch das Grundgerüst eines jeden funktionierenden Horrorstreifens. Und als Parabel auf die Orientierungslosigkeit in einer vollends unübersichtlich gewordenen Welt hat der Film keinen Deut an Aktualität eingebüßt.
Und tatsächlich: Wenn damals maßlos schockierende Dialoge und zum Teil leicht lächerlich übertriebende Schockeffekte heute ihre Wirkung eher verfehlen und so schnell niemanden mehr schockieren, bemerkt der Zuschauer dennoch eine ständig zunehmende, unterschwellige Bedrohung, die sich in pure Angst steigert. Betrachtet man den Film als 30-jährigen Klassiker, ist er ein wahrer Genuss. Vergleicht man ihn mit dem heutigen Stand der Erzählkunst, wirkt er übertrieben und langweilig. Und leider muss sich ein alter Film, der als „digital überarbeiteter Director’s Cut“ heute in die Kinos kommt, mit seiner heutigen Konkurrenz messen. Und enttäuscht so ganz sicher die Erwartungshaltung der meisten Zuschauer.
USA 1973/2000, 132 min
mit Linda Blair, Ellen Burstyn, Max von Sydow, Jason Miller
Regie: William Friedkin