Ich bin ja kein Jurist, aber…

tl;dr: An der juristischen Einordnung des Falles B. aus K. verstehe ich ein paar Punkte nicht.

lucy

Heute trat Angela Merkel persönlich vors Mikrofon und verkündete, dass sie die Staatsanwaltschaft ermächtigt, gegen Herrn B. aus K. wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes zu ermitteln. Es soll hier nicht um weiteres Aufkochen einer längst absurden Affaire gehen, sondern um die juristische Einordnung ein paar teils unbequeme Fragen, die sich daraus ergeben.

§104a StGB: Verschiedene Kommentatoren sagten, Merkel musste so entscheiden, um die Klärung des Falles der Justiz zu überlassen. Das scheint mir nicht der Fall zu sein. §104a des StGB schränkt eine Reihe von Straftatbeständen dahingehend ein, dass sie nur dann verfolgt werden, wenn die Bundesregierung die Staatsanwaltschaft dazu ermächtigt. Das klingt für mich wie ein Bruch in der Gewaltenteilung und passt meiner laienhaften Meinung nach so gar nicht in unser Rechtssystem. Bestimmte Straftaten werden nur verfolgt, wenn es der Regierung aus politischen Gründen opportun erscheint. Merkels Entscheidung, B. aus K. verfolgen zu lassen, ist also eine rein politische. Die Bundesregierung hätte auch anders entscheiden können. Sollten wir nicht unbedingt auch die Abschafftung des §104a StGB fordern? Oder was sehe ich hier falsch?

§103 StGB – enthält vereinfacht gesagt die „Majestätsbeleidigung“. Angela Merkel hat verkündet, diesen Paragraphen abschaffen zu wollen. Das ist im Sinne von Kunst- und Meinungsfreiheit lobenswert. Allerdings verstehe ich nicht, wieso die Regierung eine Person nach einen Paragraphen verfolgen lässt, den sie gerne abschaffen möchte, obwohl sie es doch juristisch problemlos in der Hand hätte, von der Verfolgung abzusehen. Angela Merkel scheint hier die gute Beziehung zu einem autokratischen Präsidenten, der erwiesenermaßen so seine Probleme mit Minderheiten, Meinungsfreiheit und Demokratie hat, der Kunst- und Meinungsfreiheit ihrer eigenen Bürger unterzuordnen, vermutlich um besser Flüchtlinge aus dem Land fern halten zu können. Politisch könnte man auch sagen: Ein absoluter Tiefpunkt in Merkels Kanzlerschaft vor dem Hintergrund eines „Wir schaffen das“. Oder was sehe ich hier falsch?

Die Abschaffung von §103 StGB: Angela Merkel hat in ihrer Pressekonferenz zugleich angekündigt, dass der §103 StGB noch in diesem Jahr abgeschafft werden soll. Viele Menschen deuten das dahingehend, dass B. aus K. freigesprochen werden wird, wenn man das Verfahren nur lange genug in die Länge zieht. Das hat mich irritiert, ergibt aber Sinn. Ein Gesetz hat Gültigkeit für den Zeitpunkt der Straftat. Eigentlich gilt gilt ein allgemeines Rückwirkungsverbot für neue Gesetze und Gesetzesänderung, damit niemand bestraft werden kann für etwas, das zum Zeitpunkt der Tat gar nicht strafbar war. Führt allerdings die Gesetzesänderung zu einer milderen Strafe oder Streiffreiheit, ist tatsächlich das neue Gesetz anzuwenden. Das ergibt ziemlich viel Sinn, wenn wir an Gesetze vergangener Zeiten denken wie das Kuppeileiverbot oder die Strafbarkeit homosexueller Handlungen usw. Wir bestrafen nicht nach Gesetzen, die wir als veraltet und ungerecht ansehen, auch wenn sie zum Zeitpunkt der Tat noch galten. An dieser Stelle wird es also nochmal besonders absurd, die Ermittlungen für ein Verfahren einzuleiten, dem per Gesetzesänderung die Grundlage entzogen werden soll. Die Entscheidung der Bundesregierung ist damit auch kein „wir halten uns da raus, sollen die Gerichte entscheiden“ sondern eben sehr politisch. Oder was verstehe ich hier falsch?

§130 StGB: Ja, der Volksverhetzungsparagraph. Ich finde es fragwürdig, dass B. aus K. wegen Beleidigung angeklagt wird, nachdem er satirisch die Politik eines ausländischen Staatspräsidenten aufgegriffen hat. Ob hier wirklich eine strafwürdige Beleidiung vorliegt und nicht ggf. die Kunstfreiheit ein höheres Gut darstellt, wird wegen der Abschaffung des §103 StGB wahrscheinlich gar nicht entschieden werden. Allerdings liegt noch eine Anzeige nach §185 StGB vor. Insgesamt ist das recht unbefriedigend. Noch unbefriedigender ist allerdings meiner Meinung nach, dass kaum jemand in Betracht zieht, B. aus K. aufgrund des §130 StGB wegen Volksverhetzung anzuklagen. Die Kriterien sind meiner Meinung nach eher erfüllt: Die rassistischen Passagen im „Schmähgedicht“ „beschimpfen, machen böswillig verächtlich und verleumden“ Gruppen aufgrund ihrer Herkunft sowie Einzelne und zwar in einer Weise, die „geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören“. Oder was sehe ich falsch?

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3 Antworten zu „Ich bin ja kein Jurist, aber…“