Über, LeFloid, Merkel, Youtuber, Journalisten und Dünkel

tl;dr: Das Interview, das Angela Merkel LeFloid gibt ist handwerklich schwach aber unter bestimmten Gesichtspunkten sehr interessant.

lefloid

Ein paar lose, noch nicht abgeschlossene Gedanken zum Angela-Merkel-Interview von LeFloid: Die Medien sind sich einig – handzahm und brav. Glaubt man Twitter oder Facebook, hätten ungefähr alle ein besseres Interview geführt. Es stimmt: Das Interview ist fade und schwer zu ertragen. Das liegt aber weniger an LeFloid als an Angela Merkel (wie Johnny Haeusler schön zusammenfasst), die es – natürlich – vor allem nutzt, um ihre politischen Positionen zu vertreten. Wenn man LeFloid einen Vorwurf machen kann, dann vor allem den dass er ihr diese Plattform überhaupt bereitstellt. Sonst tut er eigentlich was er immer tut.

Ich glaube, dass dieses Video von einigen Journalisten so negativ kommentiert wurde, liegt vielleicht teilweise an beleidigter Eitelkeit, dass nicht sie eines der raren Merkel-Interview ergattert haben. Das ganze hat auch viel mit Erwartungshaltung zu tun: Von einem im Fernsehen gesendeten politischen Interview haben wir relativ klare Erwartungen, wie so etwas abzulaufen hat. Von Journalismus an sich auch. Bei Youtube-Channels gibt es diese klaren Regeln aber nicht, weil sich da gerade neue Regeln herausbilden, die im Fluss sind und sich ständig weiter entwickeln. Wer vom Interview enttäuscht war, hat schlicht etwas erwartet, was ein Youtuber wie LeFloid gar nicht leisten will. Was hier passiert, ist eine Art Generation Clash oder Culture Clash. Ein Journalist würde versuchen, Angela Merkel in Fallen zu locken oder sogar unabhängig von seiner eigenen Meinung. Youtuber wie LeFloid machen keinen solchen Journalismus. Vielleicht könnte man es „Pop-Journalismus“ nennen, und überhaupt ist Pop eine ganz okaye Metapher für das, was gerade auf Youtube passiert.

Menschen, die über Youtube die Nase rümpfen, erinnern mich bisweilen ein wenig an die Hörer von E-Musik, die im Pop vor einigen Jahrzehnten den Untergang des Abendlandes sahen. Pop hat seine eigenen Strukturen, Mechanismen und Handwerklichkeiten. Die waren vor einigen Jahrzehnten für ausschließlich mit E-Musik aufgewachsenen Menschen schlicht unsichtbar und im Wortsinne ungenießbar. Heute hingegen sind die Beatles Bestandteil des Musikunterrichts.

Wie im Pop gibt es Kommerz und Punk und lässt sich beides nicht immer auseinander halten. Wie im PopWie im Pop finden sich unter Bergen von Trash die Perlen. Um bei der Metapher zu bleiben: Lefloid erinnert mich ein wenig an Udo Lindenberg, als er Honecker eine Gitarre schenkte. Diese Mischung aus Respekt und Respektlosigkeit, Kritik und Anbiederei und vor allem: locker bleiben! Natürlich ist das Interview nicht das St. Pepper’s Lonely Hearts Club Band des Pop-Journalismus, ganz im Gegenteil. Allerdings ist mein Eindruck, dass in bestimmten Kreisen ein allgemeines Naserümpfen gegenüber Youtubern besteht. Ein solcher Dünkel ist gerade für Journalisten und Medienmacher gefährlich, weil sie den Anschluss an die Millionen Zuschauer verlieren, die das ganz offenbar sehen wollen.

Der wesentliche Unterschied zwischen Youtubern und LeFloid scheint mir darin zu bestehen, dass sie nicht mit dem Anspruch auftreten, Journalismus zu betreiben. Sie labern einfach in eine Kamera und klingen dabei wie ein Buddy, mit dem wir uns beiläufig über irgendwas unterhalten. LeFloid versucht gar nicht erst, den klassischen Riten des Journalismus zu genügen, sondern lässt Merkels Meinung einfach stehen, erlaubt sich ein „Agree to Disagree“, bleibt respektvoll und ist sich nicht zu schade, ihr in anderen Punkten zuzustimmen. Was im Kontext eines politischen Interviews unglaublich weichgespült klingt, ist das, was wir sonst im Alltagsleben als „Kinderstube“ bezeichnen, um einigermaßen erträglich miteinander klarzukommen. Ich glaube, genau darin liegt auch der Grund, warum sich junge Menschen von solchen Youtube-Channels angesprochen fühlen. Während in den großen Medien alles auf ein seriöses Äußeres und Dramatik und Pathos getrimmt ist, geben Youtube-Videos den Zuschauern das Gefühl, mitgemeint und angesprochen zu sein.

Besonders deutlich wurde mir das anhand eines Schminkvideos. „Schminkvideo“ ist gerade das Schimpfwort für banalen Inhalt überhaupt und hat das Wort „Katzencontent“ abgelöst. Für die breite Masse der Schminkvideos gilt das auch, außer du interessierst dich gerade tatsächlich fürs Schminken. Spannend wird das Genre, wenn die sich Schminkenden anfangen, nebenher über andere Dinge zu reden. In dem Moment wird eine Art Feuilleton draus. Politische oder gesellschaftliche Fragen werden ganz nebenher verhandelt, ähnlich wie bei zwei Frauen, die nebenher aufs Klo gehen. Natürlich ist das vom Niveau her nicht mit klassischem Feuilleton zu vergleichen, allerdings erreicht eben dieses klassische Feuilleton mit seinen „Walls of Text“ eben nur ganz bestimmte Zielgruppen, die bereit sind, die ellenlangen Abhandlungen auch lesen zu wollen.

LeFloid & Co. funktionieren für ihre Zielgruppe ganz ähnlich. Er verhandelt oft aber nicht immer politische Themen und er tut es so, dass Menschen, die sonst für klassische Medien nicht erreichbar sind, das angucken. Interessiert. Und darüber diskutieren. Menschen die vom üblichen Tagesthemen-Kommentar schneller wegzappen würden als vom „Wort zum Sonntag“ (wenn sie überhaupt noch klassisch fernsehen). Darin steckt ein großer Verdienst.

Mit diesem Text möchte ich übrigens nicht das fade Interview verteidigen. LeFoid finde ich persönlich durchaus fragwürdig, wenn er zum Beispiel seine Fans als „Bros“ bezeichnet. Mir geht es vor allem darum, angesichts des Phänomens „Youtube-Star“ die Augen offen zu halten und sich ganz genau anzusehen, was diese Leute eigentlich machen und warum andere das sehen wollen. Wer das nicht tut, erklärt sich selbst für alt und borniert, ganz im Sinne des berühmten Douglas Adams-Zitat, dass alle alten Erfindungen selbstverständlich sind, alle neuen Erfindungen die Welt retten werden, außer du bist über 30, was bedeutet, dass alle neuen Erfindungen unseren Untergang bedeuten. Mir passiert das selbst oft genug, weshalb ich mir angewöhne, noch ein zweites mal hinzusehen, wenn „das Neue“(TM) bei mir eine Abwehrhaltung auslöst. Natürlich gibt es unter Youtubern ausgesprochen unschöne Entwicklungen wie Hauls pseudo-authentische Videos voller Schleichwerbung, mit denen die zuschauenden Teenies geradezu verarscht werden. Natürlich werden Unmengen von Pop-Trash produziert, den die Leute manchmal trotzdem toll finden. Ich bin aber ganz sicher, dass zwischen dem Trash ein paar ganz neue Stile/Formate entstehen, die hoch spannend sind.

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