13. Jan 2002, Cinestar, Lüneburg
1945. Die schöne Witwe Grace erwacht aus einem Alptraum, braucht einen Moment, sich zu fassen. Wenn wir ihr Haus sehen, können wir vielleicht ahnen, warum sie schwer träumt. Im dichten Nebel tauchen plötzlich drei unheimliche Gestalten auf, die neue Haushälterin, der neue Gärtner und ein stummes Dienstmädchen…
Ach ist das schön. Das Haus sieht nicht verflucht aus, sondern geheimnisvoll. Die Nebel wallen nicht in unrealistischen Schwaden, sondern sind eine dicke Suppe, wie wir sie vielleicht vom Elbufer kennen. Es wird nicht übertrieben, trotzdem ist sie ständig da, diese Beklemmung, diese unterschwellige Spannung, welches Geheimnis sich wohl hinter dem Haus verbergen könnte. „The Others“ ist beileibe kein gewöhnlicher Horrorfilm. Ganz ohne Blut und phantastische Erscheinungen, ohne Effekte und Zombies im Garten baut dieser Film ganz auf klassische Gänsehaut-Effekte. Die Farbgebung, das Design, das Ambiente – zeitweise glaubt man, sich einen Klassiker aus den 60er Jahren anzusehen, wenn sich das Grauen zwischen den Dialogzeilen einnistet. Denn im Grund ist es nichts weiter als ein erzählerisch, psychologisch und visuell perfekt ausgetüfteltes Kammerspiel.
Damit das funktioniert, braucht man eine Diva. Nicole Kidman spielt Grace und erinnert dabei fatal an Grace Kelly und andere Kinogöttinnen längst vergangener Zeiten. Ein weiterer Schritt für sie, sich in die Reihe der großen Damen der Leinwand einzureihen. Um das Grauen zu transportieren, hilft ein alter Trick: In unheimlicher Atmosphäre wird eben nicht gezeigt, was da spukt. Sondern darüber gesprochen. Und man sieht die Angst nur in den Augen der Darsteller. Aber selbst diese Erzähltechnik ist spätestens seit Steven Spielberg ausgereizt. Hier kommt noch ein weiteres Element hinzu: Graces Kinder. Ein Junge und ein Mädchen, die heimlich und angstvoll unter der Bettdecke über die Gestalten tuscheln, die sie sehen. Zu ihnen kriechen wir unter die Decke und erinnern uns an die Angst, die wir selber mal im Dunkeln hatten.
„The Others“ lebt von seinen wunderbaren Dialogen. Die Kinder sind keine altklugen Mini-Erwachsenen sondern echte Kinder, was sie sagen ist oft herrlich komisch, aber ihr Kindermund tut Wahrheit kund – sie sprechen aus, was ihre Mutter lieber nicht wahrnehmen möchte. Und sei es heimlich. So funktioniert es: Die unheilmiche Stimmung ist perfekt, wahre Gänsehaut stellt sich ein, die Spannung steigert sich bisweilen ins Unerträgliche, wird natürlich in extrem erschreckenden, aber kleinen und unblutigen Schockmomenten entladen. Genuss pur.
Verstörend beängstigend z.B. die Szene, in der Grace durch den Nebel hastet wie einst Doris Day in „Mitternachtsspitzen“. Unterschwellig unheimlich, diese Hausangestellten, die sich vielleicht früher um Rosemary und ihr Baby gekümmert haben. Bleibt die Frage, ob es wirklich Geister sind, die hier spuken, ob es die Hausangestellten sind, die Grace in den Wahnsinn treiben wollen, oder ob vielleicht etwas völlig anderes dahinter steckt. Ich gehörte zurecht geschlagen, wenn ich es hier verraten würde. Nur soviel: Das Ende ist ganz besonders überraschend – und der ganze Film ein Gänsehausgrusel vom feinsten.
USA/Spanien 2001, 101 min
mit Nicole Kidman, Christopher Eccleston, Fionnula Flanagan, Elaine Cassidy, Eric Sykes, Alakina Mann, James Bentley, Renée Asherson, Michelle Fairley, Gordon Reid, Keith Allen, Alexander Vince
Regie: Alejandro Amenábar